Ich bin dann mal weg – wer zum ersten Mal ausgedehnte Streifzüge durch die Natur oder gar mehrwöchige Pilgertouren plant, stolpert schnell über den Tipp, dass Wanderschuhe bis zu 2 Nummern größer ausfallen sollten als gewohnt. Angst, in den Quadratlatschen zu versinken? Gleich lässt sich das Maß der Dinge besser einschätzen!
Normalerweise geruhsam für die Füße – das Alltagsleben
Wer für den Weg ins Büro in die Businessschuhe oder den Stadtbummel in die Sneaker schlüpft, greift eher zu fein gewebten Freizeitsocken als zu gepolsterten Funktionsstrümpfen. Die eleganten Ballerinas gehen allenfalls mit hauchdünnen Nylon-Füßlingen auf Tuchfühlung, während Sandalen nackte Tatsachen lieben – soweit man auf der Mittelmeerpromenade nicht seine deutsche Herkunft oder Offenheit für schräge Trends inszenieren möchte.
Gängige Fitness-Tipps legen ans Herz, 10.000 Schritte als tägliches Bewegungsminimum einzustufen, was etwa sechs bis acht Kilometern entspricht. Wenn Schreibtischtaten das Berufsleben prägen und das Joggen wenig begeistert, nähert man sich dieser Messlatte allerdings selten. Falls es doch gelingt, sind die Laufetappen meist locker über den Tag verteilt. So können sich die Füße zwischendurch regenerieren und fragen sich, warum Wanderschuhe immer größer sein sollten.

Mehr Platzbedarf auf der Langstrecke
Die meisten Menschen haben unter den skizzierten Rahmenbedingungen ihre persönliche Schuhgröße gefunden. Wer kurz in sich geht, erinnert sich allerdings schnell an einengende Erlebnisse. Stressige Arbeitstage bei Sommerhitze, endlose Weihnachtseinkäufe im Eilschritt oder Urlaubsausflüge mit unzähligen Sehenswürdigkeiten am Wegesrand: Bei solchen Gelegenheiten erscheint der Schuh plötzlich viel zu klein, wodurch die letzte Etappe mühselig wird und das Ausziehen zur Wohltat.
Es ist ohnehin normal, dass sich der Fuß während des Tages ausdehnt. Dieser Prozess wird durch hohe Temperaturen oder anhaltende Belastungen forciert. Daran sollte man bereits denken, wenn man Modelle für den Alltag anprobiert. Steht eine stundenlange Tour durch die Berge auf dem Programm, potenziert sich die Beanspruchung und damit auch die Fußreaktion. Da freut man sich nach wenigen Kilometern, die Wanderschuhe größer gekauft zu haben.

Bewegungsspielraum fürs natürliche Gelände
Selbst wenn Outdoorschuhe außerordentlich atmungsaktiv konzipiert sind, heizt die angekurbelte Durchblutung also die Temperatur des Fußes an, der zudem wegen ungewohnten Strapazen anschwillt. Aber dabei bleibt es nicht.
Im Vergleich zur individuellen Normalgröße kauft man aus weiteren Gründen die Wanderschuhe in Übergröße: Sogar auf erschlossenen Naturpfaden weichen die Laufbedingungen von asphaltierten Straßen ab. Hier knickt man wegen einer Baumwurzel etwas zur Seite, dort sorgt der glitschige Untergrund für Anspannung und kurz darauf rutschen die Zehen beim steilen Gefälle nach vorn.
Das funktionale Design sorgt zwar für mehr Halt, ändert aber nichts daran, dass sich die Füße mehr Spielraum als beim Stadtspaziergang wünschen. Darauf wird ebenfalls Rücksicht genommen, wenn man die Wanderschuhe größer anschafft.
Wanderschuhe etwas oder viel größer kaufen?
Großzügigkeit ist ein dehnbarer Begriff, was zur Frage führt, ob man den Füßen reichlich oder ein wenig mehr Freiheit gönnen sollte. Grundsätzlich ist es sinnvoll, die Wanderschuhe eine Nummer größer zu kaufen. Mit der Strategie trifft man häufig ins Schwarze.
Einige Menschen rutschen wegen einer Haaresbreite in die nächstgrößere Konfektion hinein, wodurch die Pufferzone im Schuh immer komfortabel ist. Wenn man diese Erfahrung bei den Alltagsmodellen kennt, genügt womöglich eine halbe Nummer mehr. Wer schon nach dem kurzen Spaziergang im Park oder einigen Stunden im Sitzen mit geschwollenen Füßen kämpft, benötigt bei ausgedehnten Naturabenteuern vermutlich sehr viel Spielraum. In diesem Fall dürfen Wanderschuhe auch 2 Nummern größer ausfallen.

Das Gleiche gilt, wenn man zu unkonventionellen Strümpfen greift. Obwohl viele Hersteller beim Schuhdesign schon gepolsterte Wandersocken einkalkulieren, gehen sie von der Machart aus, die heutzutage bei Funktionsbekleidung für die jeweilige Jahreszeit typisch ist. Omas selbst gestrickte Unikate aus rustikaler Winterwolle mit satter Garnstärke haben sie nicht vor Augen.
Wanderschuhe in Übergrößen aus den USA? Lieber messen statt schätzen!
Outdoorschuhe in Übergröße für Damen und Herren finden sich häufig im Sortiment von US-Marken, wodurch der nächste Stolperstein den Weg zur optimalen Passform kreuzt. Dort gibt es andere Größensysteme, mit denen man wenig vertraut ist. Es kommt zudem vor, dass die Schuhgrößen markentypisch sind oder Erfahrungsberichte dafür sprechen, dass manche Markenkollektionen ungewöhnlich geräumig oder knapp ausfallen.
Kaum nützlich sind in diesem Moment gängige Ratgeber für Wanderschuhe. Wie viel größer man kaufen sollte, scheint völlig unklar. Sinnvoller als das Philosophieren ist jetzt Pragmatismus: Eines Abends werden die bevorzugten Wandersocken angezogen, um danach eine ordentliche Fußvermessung vorzunehmen. Sie serviert akkurate Individualwerte, die sich mit den Zentimeterangaben in den Markentabellen vergleichen lassen.
Wer passend dazu die Wanderschuhe eine Nummer größer bestellt, wird für die Mühe mit einer hohen Trefferquote belohnt. Logischerweise wird dieser Tipp adaptiert, wenn wegen persönlichen Besonderheiten klar ist, dass eine halbe Größe genügt oder die Wanderschuhe zwei Nummern größer sein sollten.

Begutachten, testen, einlaufen!
Alle Ratschläge wurden beherzigt und nach dem akkuraten Vermessen die Wanderschuhe größer gewählt. Kaum hat der Paketdienst sie geliefert, landet der Schuhkarton samt Inhalt beim Outdoor-Equipment. Denn fest steht der Entschluss, die ersten Trekkingschuhe des Lebens feierlich auf dem Pilgerpfad einzuweihen. Diese Idee garantiert den blitzschnellen Übergang vom Aktivurlaub zur Wellnessauszeit. Das gilt auch dann, wenn Vorgängermodelle der Marke immer perfekt passten.
Unverzichtbar ist die sorgfältige Anprobe, die am besten nachmittags oder abends stattfindet. Dabei wird zunächst das allgemeine Schuhdesign begutachtet und reiflich überlegt, ob das funktionale Konzept zu den geplanten Touren passt. Danach entnimmt man die Innensohlen, um samt Wanderstrümpfen die Füße darauf zu platzieren. Etwa 1,5 bis 2 Zentimeter sollten im Zehenbereich frei bleiben, während die Ferse hinten bündig in der Sohlenschale ruht.
Falls dieser Abgleich geglückt ist, schlüpft man hinein und schnürt beide Schuhe so sorgfältig zu, als würde man gleich auf Tour gehen. Danach folgt ein Testlauf in der Wohnung – im Idealfall mit einer Treppe auf der Strecke. Tritt man dort mit den Zehenspitzen zuerst auf, lassen sich zwei wichtige Fragen beantworten: Stoßen die Vorderfüße an die Front? Oder rutschen die Fersen hin und her?
Sofern beides verneint wird und das Tragegefühl insgesamt überzeugt, beginnt das Eintragen. Sonst hilft es wenig, dass man profimäßig die Wanderschuhe größer gekauft hat. Denn brandneue Paare kneifen immer, wenn ihnen sofort ein Bergmarathon zugemutet wird.